Erika

Die märkische Online Zeitung hat folgenden Beitrag geschrieben

In der Märkischen Online Zeitung ist heute dieser tolle Artikel über Erika Kühnemann erschienen. Wir haben ihn wie er ist übernommen. Ein Dank an die Märkische Online Zeitung für diesen schönen Artikel. © MZV
Dieser Bericht wurde von der Märkischen Online Zeitung übernommen Sandra Jütte 28.02.2016 09:42 Uhr
Red. Oranienburg, lokales@oranienburger-generalanzeiger.de
Ein Leben mit Tumoren Oranienburg (OGA) Neurofibromatose ist eine der seltenen Krankheiten, an die am 29. Februar erinnert werden soll. Erika Kühnemann ist Leiterin der Selbsthilfegruppe in Oranienburg und selbst betroffen. Im Gespräch erzählt sie von ihrem Leben mit der Krankheit und den Klingelknöpfen. [Ein Leben mit Tumoren ]
Neurofibromatose-Patientin: Erika Kühnemann "Man will überhaupt nicht bemitleidet werden, man will nur anerkannt werden." Als Erika Kühnemann diesen Satz sagt, wird die Stimme der sonst so stark wirkenden Frau etwas brüchig, und es schwingt ein verletzlicher Unterton mit. Die 59-Jährige leidet an Neurofibromatose, einer genetisch bedingten, bisher nicht heilbaren Erkrankung, bei der immer wieder überwiegend gutartige Tumore überall im und am Körper auftreten. Die seltene Krankheit wird in zwei Haupttypen unterschieden. Erika Kühnemann hat väterlicherseits Typ 1 vererbt bekommen, was sich bereits in ihrer Kindheit mit den für die Krankheit typischen hell-bräunlichen Flecken auf der Haut und in einer Konzentrationsschwäche äußerte. "Das stand dann auch immer im Schulzeugnis", erzählt die gebürtige Wittenbergerin, die heute in Bergfelde lebt. In der Pubertät bildeten sich dann die ersten Tumore unter der Haut. Eine eindeutige Diagnose bekam sie aber erst mit 34 durch eine Blutuntersuchung. Die Krankheit werde oft von Ärzten verkannt, sagt sie. Obwohl es eindeutige Anzeichen dafür gebe, kennen sich viele zu wenig damit aus. Auch eine Wirbelsäulenverkrümmung, die bei ihr schon in der Schulzeit festgestellt wurde, gehört zum typischen Verlauf. In fünfzig Prozent der Fälle wird Neurofibromatose innerhalb der Familie weitergegeben. Sie kann aber auch spontan auftreten und verläuft bei jedem Patienten anders. Sehr häufig für den Typ 1 sind neben den auftretenden Tumoren und den Hautflecken auch Bluthochdruck und Veränderungen in der Augeniris. Zu Erika Kühnemanns Alltag gehören daher regelmäßige Besuche bei Ärzten verschiedener Fachrichtungen. "Ein Arzt des Vertrauens ist wichtig", sagt sie entschlossen. Bei ihr muss derzeit ein winziger Tumorherd hinterm Sehnerv ständig kontrolliert werden. Eine weitere Operation schließt sie aber aus, davor habe sie zu viel Angst. Die Frau mit den grau-braunen, kurzen Haaren hat schon fünf Lasereingriffe hinter sich, bei der jedes Mal mehrere hundert Hautveränderungen entfernt wurden. Auch unter der Haut wurden ihr schon Tumore operiert, die auf Nerven oder Knochen drückten. Als gelernte Krankenschwester kennt sie die Abläufe im Behandlungsraum von beiden Seiten, doch erste Gewissheit über ihre Erkrankung bekam sie erst in ihrer dritten Schwangerschaft. Eine Ärztin bezeichnete sie damals als typischen "Recklinghausen-Fall", wie die Typ-1-Erkrankung auch lange genannt wurde. Trotz der Gefahr der Vererbung ist Erika Kühnemann Mutter von vier Kindern und hat das nie bereut. Man merkt ihr an, dass sie ungeachtet der vielen Rückschläge voll im Leben steht und auch mal humorvoll mit ihrer Krankheit umgehen kann, etwa wenn sie sich selbst als nicht normale Patientin bezeichnet. Zu viel Stress verschlimmere die Symptomatik bei ihr aber zusätzlich. Nach der Diagnose kam sie über eine Empfehlung zu einer Selbsthilfegruppe in Berlin. Dort überzeugte man sie etwa zehn Jahre später auch, die erste eigene Selbsthilfegruppe für Brandenburg zu gründen, die nach einem Jahr unabhängig wurde. Seit 2011 gibt es daher die "Klingelknöpfe" in Oranienburg. So wenig sie anfangs begeistert war von der Idee, desto mehr ist sie nun mit Herz und Seele dabei und hat auch für Betroffene, die nicht Mitglied sind, stets ein offenes Ohr. "Ich habe mich schon immer ehrenamtlich engagiert und konnte nie ,Nein' sagen. Es hat mir aber auch immer Spaß gemacht", sagt sie über sich selbst. Seit 40 Jahren ist sie außerdem Mitglied bei der Feuerwehr. Ihre Arbeit als Krankenschwester musste sie aufgrund der Krankheit 1991 aufgeben, ist seitdem in Frührente. In ihrer Funktion als Leiterin der "Klingelknöpfe Oranienburg" organisiert sie die Treffen der 27-köpfigen Gruppe, bei denen gerne mal gemalt, gebastelt oder Infostände für Veranstaltungen geplant werden, um weiter über die Krankheit aufzuklären. Dabei ist die gegenseitige Unterstützung und der Austausch in der Gemeinschaft für alle wichtig. "Das ist wie eine Familie. Man sitzt zusammen in einem Boot." Auf Betroffene aus ganz Deutschland trifft sie, wenn sie Ausflüge und Fahrten im Rahmen der "Stiftung Klingelknopf" begleitet, wie das Alstersegeln in Hamburg. Mit der Stiftung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Kindern und Jugendlichen mit Neurofibromatose das Leben zu erleichtern, arbeitet sie eng zusammen. Ohne die wäre vieles nicht möglich, davon ist sie überzeugt. Eine große Stütze für Erika Kühnemann ist zudem ihr Mann, mit dem sie seit 40 Jahren verheiratet ist. Und wann immer sie kann, geht sie mit ihrem Enkel ins Stadion zu Hertha BSC, natürlich in voller Fan-Montur.